Zur Untersuchung der strukturellen Eigenschaften der supramolekularen
Mullit-Vorstufe wurde die Magnetische Kernresonanz-Spektroskopie
eingesetzt. Dabei sollte versucht werden, durch Messungen an den
verschiedensten NMR-aktiven Kernen die Vorstufen zu charakterisieren.
Neben und
Resonanzen bieten sich hier Untersuchungen an
Silizium (
) und Aluminium (
) an.
Seit der Entdeckung von Bloch, Hansen und Packard bzw. Purcell, Torrey und Pound 1946, hat sich die NMR-Spektroskopie zu einem wichtigen Werkzeug in den verschiedensten Naturwissenschaften, insbesondere in Chemie und Biochemie, entwickelt. Sie wird heute hauptsächlich zur Strukturaufklärung von Molekülen jeglicher Art und Größe genutzt. Neben der hochauflösenden NMR-Spektroskopie in Flüssigkeiten ist auch die Messung im Festkörper möglich.
Der nun folgende Abschnitt soll keine umfassende Beschreibung der Theorie der NMR-Spektroskopie sein, sondern einen qualitativen Einblick in die Interpretation von NMR-Spektren liefern. Für eine umfassende Betrachtung sei an die Literatur verwiesen [14,15].
Die NMR-Spektroskopie beruht auf der Resonanz-Wechselwirkung zwischen
Radiowellen und Atomkernen mit einem von Null verschiedenen Drehimpuls
(Spin), welche sich in einem starken äußeren Magnetfeld
befinden. Grundlage des Experimentes ist die Präzessionsbewegung, die
Atomkerne mit Drehimpuls und magnetischem Moment
in einem
äußeren Magnetfeld um die Richtung des Magnetfeldes mit der
Lamor-Frequenz
ausführen. Die Einstellung von Spin und
magnetischem Moment ist dabei nur in bestimmten Richtungen möglich.
Dadurch entsteht in der Probe eine makroskopische Magnetisierung
in Richtung des äußeren Magnetfeldes
.
Die Anzahl der möglichen Einstellmöglichkeiten wird durch die
Kernspinquantenzahl bestimmt.
ist die Quantenzahl der
z-Komponente des Bahndrehimpulses
. Damit ergeben sich für Spin
und magnetisches Moment
verschiedene Einstellmöglichkeiten.
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(2.1) |
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(2.2) |
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Magnetfeld am Ort des Kerns |
Übergänge zwischen den verschiedenen Energiezuständen sind dann
möglich, wenn sich dabei um
verändert. Derartige
Übergänge werden durch Energiequanten erreicht, deren Frequenz der
Lamor-Frequenz
entspricht.
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(2.3) |
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(2.4) |
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(2.5) |
Elektronen in der Umgebung eines Kerns bewirken eine Schwächung des
- Feldes am Ort des Kerns um
. Damit folgt:
Um die Resonanzfrequenz experimentell zu bestimmen, hat man
prinzipiell mehrere Möglichkeiten. Zum einen kann man das Magnetfeld
bei konstanter Frequenz
bzw. die Frequenz bei konstantem
Feld variieren (Continuous-Wave-Verfahren), oder das
Fourier-Transform-Verfahren anwenden.
Bei der Puls-Fourier-Methode wird ein kurzer, einige Mikrosekunden langer Puls einer elektromagnetischen Welle auf die Probe eingestrahlt. Nach der Theorie der Fourier-Transformation enthält ein Impuls einer elektromagnetischen Welle verschiedene Frequenzanteile, die sich bei niedrigeren und höheren Frequenzen um die Frequenz der Trägerwelle gruppieren. Nach gleichzeitiger Anregung aller Kerne eines bestimmten Isotops in der Probe bewegen sich die Spins kohärent und strahlen ihrerseits eine elektromagnetische Welle ab. Dieses emittierte Signal wird als Funktion der Zeit detektiert. Mittels Fourier-Transformation wird das Signal in die Frequenzdomäne überführt und man erhält dadurch das eigentliche NMR-Spektrum.
Die in Gleichung 2.6 eingeführte chemische
Verschiebung ist eine der wichtigsten aus dem NMR-Spektrum direkt zu
entnehmende Größe. Die Verschiebung beschreibt die Abschirmung des
Magnetfeldes am Ort des beobachteten Kerns durch die
Elektronenhüllen anderer Atome im Molekül. Damit hängt sie direkt von der
chemischen Umgebung des beobachteten Kerns ab.
Die chemische Verschiebung wird gewöhnlich relativ zu einer Standardsubstanz
angegeben. Für ,
und
-Spektren wird zum Beispiel als
Referenzsubstanz Tetramethylsilan verwendet. Sie wird gemäß
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(2.7) |
in die gebräuchliche ppm-Skala überführt. 2.1 Die so erhaltenen chemischen Verschiebungen bewegen sich typischerweise für Protonen zwischen 0 und 12 ppm und für Kohlenstoff zwischen 0 und 250 ppm. Verschiebungen für die verschiedensten Systeme sind in der Literatur tabelliert oder in Form von Inkrementregeln zu bestimmen.
Die chemischen Verschiebungen typischer Aluminiumkerne in Lösung bewegen sich zwischen -20 und 200 ppm relativ zu Aluminiumnitrat in Wasser. Anhand der Verschiebung läßt sich die Koordinationszahl (KZ) des Aluminiums bestimmen. So entspricht eine Verschiebung von etwa 0 ppm oktaedrischer (KZ=6), 30 ppm pyramidaler (KZ=5) und 60 ppm tetraedrischer Koordination.
Chemische Verschiebungen des Siliziums finden sich zwischen 50 und
-250 ppm bezogen auf Tetramethylsilan. Die für diese Arbeit
interessanten Gruppen ergeben Resonanzen mit Werten zwischen -60
und -100 ppm [17,18]. Eine negativere chemische
Verschiebung deutet in dieser Stoffgruppe auf eine
``siliziumreichere'' Umgebung des beobachteten Kerns hin.
Die einzelnen Kerndipole sind im Molekül jedoch nicht isoliert,
sondern können auch mit benachbarten Kerndipolen in Wechselwirkung
treten. Diese Spin-Spin Wechselwirkung beeinflußt das Magnetfeld am
Ort der beobachteten Kerne und damit auch deren Resonanzfrequenz.
Neben der für die hochauflösende NMR wichtigen indirekten
Spin-Spin Kopplung, welche über chemische Bindungen vermittelt
wird, können Kerndipole auch direkt durch den Raum miteinander
wechselwirken. Die indirekte Spin-Spin Kopplung wird im
NMR-Spektrum in Form einer Aufspaltung der Resonanzlinien
beobachtet. Man unterscheidet dabei die Kopplungen auf Grund der Anzahl
der an ihnen beteiligten Bindungen, etwa geminale (
) Kopplungen in
Gruppen oder vicinale (
) Kopplungen zwischen
benachbarten Protonen in Alkylketten (
). Vicinale und
geminale
Kopplungen bewegen sich typischerweise zwischen 0
und 30 Hz, die
-Kopplungen zwischen 120 und 250 Hz
[14].
Während die chemische Verschiebung Informationen über die chemische
Umgebung liefert, also etwa ,
oder
, erhält man
durch Analyse der Kopplungen Informationen über der Verknüpfung der
verschiedenen Struktureinheiten untereinander und kann so im Idealfall
die Konstitution einer Verbindung aufklären. Daneben enthält die
Kopplungskonstante
auch Informationen über Bindungs- und
Torsionswinkel und Bindungspartner des entsprechenden Kerns.
Alle in dieser Arbeit gezeigten Spektren wurden meist mit
Standardpulssequenzen des Spektrometerherstellers Bruker analytische
Meßtechnik GmbH an verschiedenen Spektrometern des NMR-Zentrums der
Universität Frankfurt durchgeführt. Insbesondere wurden ein Bruker
DPX-250 mit einer Protonenfrequenz von 250 MHz und einem Feld von 5,87
Tesla sowie ein Bruker DMX-500 mit einer Protonenfrequenz von 500 MHz
bei einem Feld von 11,74 Tesla eingesetzt. Mit Ausnahme der Silizium-
und Aluminiumspektren wurden alle Messungen mit einem 5 mm Probenkopf
aufgenommen. - und
-Untersuchungen wurden mit einem 10 mm Kopf
durchgeführt.
Prozessiert wurden die Spektren mit der Software Xwinnmr von Bruker bzw. NMRpipe [19] auf den Workstations des Institus bzw. PC's unter Linux. Dabei wurden Standardverfahren zur Prozessierung verwendet.
Zur Interpretation von - und
-Spektren sei auf die Literatur
verwiesen [20].
Neben eindimensionalen Spektren, d.h. solche mit nur einer
Frequenz (ppm)-Achse wurden auch zweidimensionale Spektren
aufgenommen. Insbesondere wurden zur Zuordnung Heteronuclear
Single Quantum Correlation (HSQC)-Messungen sowie Total
Correlaton Spectroscopy (TOCSY)-Messungen durchgeführt. Erstere
liefern Informationen über die Verknüpfung der Kohlenstoff- und
Wasserstoffatome untereinander, letztere über die Verknüpfung der
verschiedenen -Gruppen untereinander.
Hochauflösende Aluminiumspektren in Flüssigkeit eigenen sich zur
Bestimmung der Koordinationszahl des Aluminiums. Wie aus Tabelle
2.2 hervorgeht, ist den quadropolaren Kernen mit einer
Spinquantenzahl von
zugeordnet. Das Quadropolmoment ist
eine Ursache für die meist sehr breiten Linien des
-Spektrums.
In der Literatur [21,22] werden die Resonanzlagen für die verschiedenen Koordinationszahlen relativ zu dem oktaedrisch koordinierten Aluminiumnitrat in Wasser beschrieben. So wird die oktaedrische Koordination (KZ 6) bei etwa 0 ppm, die pyramidale Koordination (KZ 5) bei etwa 30 ppm und die tetraedrische bei etwa 60 ppm in Alkoholaten beobachtet.
Die Messung der vorgestellten -Spektren erfolgte nach Anregung
durch einen 90°-Puls bei 65,15 MHz bzw. 130,3 MHz an einem Bruker
DPX-250 bzw. DMX-500 Spektrometer. Typischerweise wurden 128 Pulse mit
einer Repetitionszeit von einer Sekunde aufgenommen. Bei der Messung
ergab sich eine Schwierigkeit, die auf den Aluminiumanteil der
verwendeten Probenköpfe und -röhrchen zurückzuführen ist. Es konnte
ein
-Signal bei etwa 40 ppm auch ohne Probe registriert werden.
Allerdings kann man dieses Signal bei den verwendeten
Probenkonzentrationen vernachlässigen.
Silizium ()-Messungen eignen sich zur Bestimmung der Konfiguration
von Siliziumkernen [5,18] in Siliziumgelen. Je nach
Vernetzungsgrad der Siliziumgruppen nimmt die chemische Verschiebung
relativ zu Tetramethylsilan von -72,5 ppm für
auf -110 ppm
für
ab.
Siliziummessungen sind sehr zeitaufwendig da der Relaxationsdelay auf
Grund der langsamen Relaxation des auf mindestens 30 Sekunden zu
setzen ist. Die gezeigten Spektren wurden bei 49,66 bzw. 99,32 MHz an
einem Bruker DPX-250 bzw. Bruker AMX-500 Spektrometer aufgenommen.